Wir sind Trudering - 1/2020
7 BASKETBALL www.tsvtrudering.de Dem berühmtesten deutschen Übungsleiter Sepp Herberger wer- den (zu Unrecht) die Worte zugeschrieben: „Elf Freunde sollt ihr sein!“. Doch ist in einer Mannschaft wirklich eine echte Freund- schaft erforderlich, um siegreich zu sein? Waren Lothar und Klinsi 1990 wirklich Freunde? Und konnte sich Littbarski über „Icke“ Häß- lers Erfolge wirklich freuen, kosteten diese ihn doch den Stamm- platz? Und ob sich Manuel Neuer und Özil sonntags mit Familien zum Kaffeetrinken treffen, darf auch angezweifelt werden. Doch all diese Leute wurden Weltmeister. Und auch auf dem Amateurniveau ist das mit der Freundschaft si- cher nicht selbstverständlich. Doch manchmal ist der Sport was anderes – Sport kann eine echte Liebe sein und Liebe kann blind sein. Läuft es einmal richtig gut, fällt man sich schnell in die Arme. Da fällt mir doch glatt eine Episode aus unserer zweiten Aufstiegs- saison ein. Die Herrenmannschaft hatte einen guten Lauf, als wir zum Auswärtsspiel in Wolnzach eintrafen. An sich ein starker Geg- ner, doch an diesem Tag waren wir unschlagbar. Unser Kapitän Ben war verletzt und vertrat die Trainerin. Nie war diese Mannschaft taktisch so brillant eingestellt wie an diesem Tag! Drei Sekunden vor dem Abpfiff bekamen wir einen Einwurf in der gegnerischen Hälfte. Ben nahm Auszeit. Keiner verstand, was das jetzt eigentlich soll – wir führten mit 21 Punkten! Benjamin versammelte uns, mal- te was auf die Taktiktafel und sagte: „Jeder hat heute getroffen, nur Igors hat noch keine Punkte. Wir machen jetzt einen Play für ihn!“ Ehrlich: eine Schnapsidee. Doch alle waren von dem Spiel wie berauscht, und da passte doch eine Schnapsidee gut dazu! Ich sollte einwerfen, zum Ruben passen, zur Dreipunktlinie laufen, den Ball zurückbekommen und einen Dreier werfen! Und ich nehme sonst nie einen Dreier!!! Ich stellte mich an die Seitenlinie. Der Gegner hatte verstanden, dass wir irgendeine „Schweinerei“ vorbereiten und wollte diese verhindern. Sie stellten zu mir einen Riesen ab, gegen den ich nicht mal einen Hauch einer Chance hätte. Doch seine Mitspieler guck- ten mich noch mal genauer an, erinnerten sich an mein bis dahin harmloses Wirken und riefen dem Riesen zu: „Den brauchen wir nicht“ und stellten ihn als zweiten Verteidiger zum Dejan ab, der an diesem Tag förmlich wütete. Ich stand nun allein. Pfiff. Ich warf ein. Ruben machte paar Schritte entgegen, nahm den Ball an. Ich machte derzeit 1-2 Schritte zur Dreipunktlinie. Ruben passte zurück, ich machte einen Schritt mit dem Ball und warf aus dem Lauf. Grausame Technik. Der Ball machte einen riesigen Bo- gen in der Luft. Alle Augen in der Halle folgten ihm wie in einer Zeitlupe. Als die Sirene erklang, sank der Ball mittig in den Korb, „Fünf Freunde sollt ihr sein!“ ohne den Korbrahmen zu berühren. Man meinte den erotischen Klang des zischenden Korbnetzes zu hören. Freudetrunken, laut schreiend lief ich zur Bank und fiel in die Arme meiner Mitspieler. So innig hatten sich zuletzt Gerd Müller und Wolfgang Overath nach dem entscheidenden Tor im WM-Finale 1974 umarmt. Ich weiß nicht, ob das Freundschaft war, die an diesem Tag trium- phierte? Doch eines war es sicher: das war Liebe! Igors Iesalnieks Siegesfeier mit (v.l.n.r.) Andi, Lucas, Laura (Tochter des glücklichen Schützen), Igors mit Zeichen eines getroffenen Dreiers, Dejan, Ruben. Der Jubel nach dem „Buzzerbeater“. V.l.n.r.: Dejan, Ruben, Igors, Hamza und Freddy. „Im Grunde sind es doch die Ver- bindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“ Wilhelm von Humboldt, preußischer Gelehrter, Schriftsteller und Staatsmann 1767 – 1835 Freunde
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